Blatt

Marb. Dep. 83

Kassel, Staatliche Museen, Graphische Sammlung - Zope-Id: 13731

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Vorschaubild
Originalscan
Ort Kassel
Institution Graphische Sammlung
Teilbestand
Signaturen Marb. Dep. 83
Gegenstand Metz, St. Louis nach J.-F. Blondel, Längsschnitt
Künstler Wolff, Johann Henrich (Zeichner)
recto recto Zeichnung Zeichnung
Beschriftung Beschriftung  /  Beschriftung
Skala Maßstab
verso verso
Stempel
Wasserzeichen Krone über Medaillon mit steigendem, ein Rutenbündel (rechts) und einen Mondsichelstab (links) tragendem Löwen, Umschrift "PRO PATRIA EIUSQUE LIBERTATE", darunter "C & I HONIG"
Papierqualitaet Papier
Papierfarbe
Größe 527 x 395 mm
Zustand
Montierung
Datierung 1790 (um)
Bauwerk
Bauwerk-Links
Schriftquellen
Zeichnungen
Stiche
Fotos
CAD
Literatur
Kommentar Die Zeichnung präsentiert den Längsschnitt durch ein longitudinal ausgerichtetes Kirchengebäude, dessen funktionell notwendige Räume jeweils einem eigenständigen Bauteil zugeordnet sind. Von einem Säulenportikus aus erschließt sich der dreischiffige, extrem kurze Kirchenraum. Das dahinterliegende architektonische und liturgische Zentrum wird durch einen die anderen Bauteile überragenden Kuppelbau gebildet. Pilaster- und Gebälkgliederung des Innenraums unterstreichen die Bedeutung des Raumes. Der erhöhte Standort des Altars ermöglicht in Verbindung mit dem Niveauunterschied zwischen Kirchenschiff und Sanktuarium dessen Einsichtnahme vom Eingang aus. Auf derselben Ebene schließt sich ein längsgerichteter Chorraum an, der in Breiten- und Längserstreckung dem Mittelschiff gleichgestellt ist. Eine kreuzgratgewölbte Galerie umgibt in der Art eines Kreuzgangs die Gesamtanlage. Von hier aus können sowohl der Kirche funktionell zugeordnete Räume wie die Sakristei als auch die Räume des Abteigebäudes erschlossen werden. Mittels Laternenaufbauten erfolgt eine indirekte Beleuchtung von Kirchenschiff, Sanktuarium und Chor, wobei der Kuppelbau durch vier kreisrunde Tambourfenster eine zusätzliche Belichtung erfährt. \nDie Darstellung hat Johann Henrich Wolff dem "Cours d'Architecture" von Jacques-François Blondel entnommen, der im dritten Band den Längsschnitt als "COUPE SUR LA LONGUEUR DE L'EGLISE DE L'ABBAYE ROYALE DE ST. LOUIS A METZ" abbildet (Blondel 1771-1777, Bd. III, Taf. LX). Eben diesen Titel hat Wolff dem Blatt auch am rechten unteren Rand hinzugefügt. Wie bei den meisten anderen Studienblättern, die als Zeichnung nach einer Vorlage entstanden sind, hat Wolff kleine Änderungen vorgenommen. So fehlen bei ihm neben den Figuren auf der Attika auch die Türflügel und das Chorgestühl. Blondel entwickelte diesen Entwurf für die königliche Abtei St. Louis in Metz gemäß seinen eigenen architekturtheoretischen Vorschriften. Demzufolge leiteten sich aus der Grundforderung nach "convenance" unterschiedliche Bautypen ab, denen bestimmte Funktionen zugeschrieben wurden. So sollten die "Églises en Rotonde" für religiöse Gemeinschaften bestimmt sein, die sich Gott geweiht hatten (Blondel 1771-1777, Bd. II, S. 319f.). Dabei war die Konzentration auf den Hochaltar als liturgisches Zentrum ein wesentlicher konstruktiver Bestandteil (Blondel 1752-1756, Bd. I, S. 366). Unterstützend sollten dabei der Verzicht auf Deckenmalerei und eine nicht zu helle Beleuchtung wirken (Blondel 1771-1777, Bd. III, S. 407f.). \nWolffs Interesse an diesem von Blondel entworfenen, jedoch nicht realisierten Entwurf könnte erneut mit der Person Simon Louis Du Rys in Zusammenhang stehen. Wesentliche Kriterien für die Gestaltung von Außenbau und Innenraum (s. Fassadengliederung und Altarstellung) der nach Plänen Du Rys in Kassel erbauten Elisabethkirche gehen auf die Vorschriften seines ehemaligen Lehrers Blondel zurück (Fenner 1981, S. 77-79). Ob Wolff, wie auch bei dem Londoner Somerset House (Marb. Dep. 82) vermutet werden kann, durch Du Ry auf die Bedeutung des Baus hingewiesen wurde, läßt sich angesichts fehlender schriftlicher Nachrichten jedoch nicht beantworten.
Autor MH