Blatt

GS 14618

Kassel, Staatliche Museen, Graphische Sammlung - Zope-Id: 8762

Vorschau
Vorschaubild
Originalscan
Ort Kassel
Institution Graphische Sammlung
Teilbestand
Signaturen GS 14618
Gegenstand Aachen, Bauaufnahme des Münsters, Grundriß
Künstler Simar, J. B. (Architekt)
recto recto Zeichnung Zeichnung
Beschriftung Beschriftung  /  Beschriftung
Skala Maßstab
verso verso
Stempel
Wasserzeichen -
Papierqualitaet Papier
Papierfarbe
Größe 380 x 506 mm
Zustand
Montierung
Datierung 1786
Bauwerk
Bauwerk-Links
Schriftquellen
Zeichnungen
Stiche
Fotos
CAD
Literatur
Kommentar Die vorliegende, von dem Steinmetzen und Baumeister J. B. Simar angefertigte Zeichnung hat einen besonderen historischen Wert, da sie den Ausstattungszustand des Aachener Münsters in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dokumentiert. Trotz der stilisiert wiedergegebenen Maßverhältnisse und Umrißformen ist die Identifizierung durch die charakteristische Grundrißgestalt aus Zentralraum und angeschlossenem Chor sowie durch die in der Legende erscheinende Bezeichnung "Hochmünster“ möglich. Die 16eckige äußere Grundrißlinie der ehemaligen Pfalzkapelle, die im Innern einen achteckigen Mittelraum definiert, hat Simar durch eine gerundete Form vereinfacht. Den angeschlossenen gotischen Chor, der sich über zwei Joche erstreckt, verlängerte er auf drei Joche. Auch der Chorabschluß entspricht nicht dem Baubestand. Aus dem 9/14-Polygon ist erneut ein runder Abschluß mit acht statt der neun Fensteröffnungen geworden. Joseph Buchkremer, ehemals Aachener Dombaumeister, vermerkte in seinem Artikel über die Simar-Zeichnung, die ihm nur als Pause des Architekten Karl Rhoen zur Verfügung stand, zudem den fehlenden Mittelachsenbezug zwischen Chor und Oktogon, falsche Abmessungen der Muttergotteskapelle sowie falsch angeordnete Türen (Buchkremer 1900, S. 218; den Hinweis auf diese Literatur verdanke ich Herrn Dombaumeister Helmut Maintz, Aachen).\nSimars Interesse galt nicht einer genauen Dokumentation der Baugestalt, sondern war auf die Ausstattungsstücke des Münsters gerichtet, wobei er die wichtigsten Objekte nicht nur mit ihrem Standort im Grundriß verzeichnete, sondern zusätzlich durch kleine Aufrißzeichnungen am Rand veranschaulichte. Das Blatt ist der einzige Hinweis auf den genauen Standort und das Aussehen der Chorschranke. Die als Gitter zwischen Chor und "Runderkirch" beschriebene Schranke (N) bestand hiernach aus vier Porphyrsäulen und -kapitellen sowie kupfernen Fußleisten mit Verzierungen. Heute tragen die Porphyrsäulen den gotischen Hochaltarbaldachin (Buchkremer 1900, S. 255). Ebenfalls im Aufriß dargestellt ist das Marienchörchen (B) am Eingang zum Stiftschor. Durch Simars Zeichnung ist die Gestalt dieses kleinen offenen Hallenbaus zur Umschließung des alten karolingischen Altars und des traditionellen Krönungsplatzes vor seinem Abbruch im Jahr 1786 dokumentiert. Hinter dem Marienchörchen befinden sich das als "porpiter Adler“ bezeichnete große Adlerpult des 15. Jahrhunderts, das Simar neben einem Aufriß im Chorgrundriß auch in einer Seitenansicht präsentiert, und das in Grundriß und Seitenansicht abgebildete Grab Ottos III. Bei Errichtung des gotischen Chores wurde das ursprüngliche Grab vom alten in den neuen Chor transloziert und schließlich auf Anweisung Bischof Berdolets in die Mitte des Oktogons, unter den Radleuchter, verlegt (Buchkremer 1900, S. 229). Hinter dem Grab befand sich der 1513 errichtete, nicht erhaltene Dreikönigenleuchter (E). Von diesem Objekt fertigte Simar eine Darstellung in größerem Maßstab an, die nur anhand einer ebenfalls von Karl Rhoen angefertigten Pause überliefert ist (Buchkremer 1900, Taf. 3). Eine dritte Zeichnung aus dem Jahr 1794 zeigt die Säulenstellung im Oktogon und in der Kaiserloge vor der Demontage durch die Franzosen.\nAls wertvollste dieser drei Zeichnungen ist zweifellos der vorliegende Gesamtgrundriß anzusehen. Bisher war nicht bekannt, daß er sich in der Graphischen Sammlung der Staatlichen Museen Kassel befindet. Wie die Zeichnung in den Bestand gelangt ist, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden. Einiges spricht jedoch dafür, daß sie zum Nachlaß des Kasseler Architekten Hugo Schneider gehörte, der zwischen 1865 und 1874 freiberuflich in Aachen arbeitete und von 1879 bis 1884 für den neugotischen Ausbau des Glockenturms des Aachener Münsters verantwortlich war. \nÜber den Zeichner selbst ist nur wenig bekannt. Zwar deutet die ungenaue Zeichenweise nicht auf einen am Münster tätigen Baumeister hin, die Verbindung Simars zum Münster ist jedoch belegt. Er führte einige Arbeiten, unter anderem auch die Verlegung des Grabes von Otto III., im Auftrag Bischofs Berdolet durch. 1843 ist er im Zusammenhang mit Untersuchungen zur Auffindung der Gruft Karls des Großen letztmalig archivalisch faßbar (Buchkremer 1900, S. 217).
Autor MH