Vorschau |
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Ort |
Kassel |
Institution |
Graphische Sammlung |
Teilbestand |
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Signaturen |
GS 4806a |
Gegenstand |
Winchester, Bauaufnahme eines Gebäudes im Garten von Lord Portsmouth, Grund- und Aufriß |
Künstler |
Leopold, Philipp Wilhelm (Ingenieur) |
Stempel |
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Wasserzeichen |
"IV", Krone über Wappenschild mit Lilie |
Papierqualitaet |
Papier |
Papierfarbe |
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Größe |
194 x 187 mm
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Zustand |
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Montierung |
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Datierung |
1755 (um) |
Kommentar |
Die vier durch Buchstaben als zusammengehörig gekennzeichneten Zeichnungen bilden verschiedene Architekturen ab, wie sie sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts in der englischen Gartenanlage von Lord Portsmouth bei Winchester dem Betrachter zeigten. Die auf einen starken Briefbogen geklebten Einzelblättchen waren ehemals Teil eines Briefwechsels zwischen dem hessischen Landgrafen Wilhelm VIII. und Wilhelm Burkhardt Freiherr von Fürstenberg, der sich 1756/57 mit einem militärischen Auftrag in England befand. Vor dem Hintergrund des 1755 zwischen England und Hessen geschlossenen Subsidien-Vertrags sollten hessische Truppen eine eventuelle Landung der Franzosen auf der Insel verhindern helfen. Fürstenberg galt als ein Offizier von hoher Bildung und vielseitigen Interessen, die sich unter anderem auch auf Kunstgattungen wie Architektur und Malerei richteten. Zwar war er zu keinen offiziellen Berichten verpflichtet - diese waren von dem Kommandierenden Graf von Isenburg anzufertigen - die Diktion des Briefwechsels aber läßt vermuten, daß Landgraf Wilhelm ihn gebeten hatte, über das Leben in England und insbesondere über die dortige Schloß- und Gartenarchitektur zu berichten. Nur so lassen sich lange Passagen mit Beschreibungen zu diesen beiden Themenbereichen erklären (Eisentraut 1907, S. 77f.).\nIn Fürstenbergs Auftrag wurden die Zeichnungen mit Gartenarchitekturen von dem Artillerie-Kapitän Philipp Wilhelm Leopold angefertigt und von Fürstenberg mit einem erklärenden Begleittext versehen (Eisentraut 1907, S. 110, Anm. 1). Das fünfte auf den Papierbogen geklebte Einzelblättchen stellt einen Auszug des Briefes mit dem entsprechenden Begleittext dar, geschrieben von dem Hofhistoriographen Friedrich Wilhelm Strieder (1739-1815). ("Extrait d'une Lettre du General Major de Fürstenberg / à S. A. Sme le Landgrave Guillaume VIII. d. / Wincester en Angleterre le 14 Oct 1756. / "--- Le batiment au dessous de la Cascade B. est dessiné sur le / papier A.; est bien à 200 ou 300 pas de distance au dessus de / la dite Cascade. Sur le papier C, il se trouve dans le petit / quarré d, une façon de cloison marque a, que Mr. Leopold a / marqué par obus entre deux charmilles comme une bar- / riere, au lieu que c'est une cloison assés etendue, qui / separe une partie du part, ou sont les daimes, de celle ou ces / animaux pourrsient mure aux plantations.-") Möglicherweise gehörte der Papierbogen in den Klebeband mit Fürstlichen Gartenplänen der hessischen Landgrafen (Marb. Dep. 254). Die Größe und Struktur des Blattes sowie die hochkant angelegte Anordnung der Zeichnungen auf dem Blatt deuten darauf hin. Im Inhaltsverzeichnis des Klebebandes ist das Blatt allerdings nicht verzeichnet. \nDie wichtigste Stellung bei der zeichnerischen Beschreibung der Gartenarchitektur nimmt die Kaskadenanlage ein, die mit zwei großen Abbildungen vertreten ist. Das mit "A" bezeichnete Blatt präsentiert Grund- und Aufriß des Eingangsbaus zur Kaskade, der sich unterhalb der eigentlichen Wasserkunst befindet. Zwischen zwei geschoßhohen, rechtwinklig angeordneten Heckenräumen erstreckt sich in fünf Achsen ein dreigeschossiger Galeriebau mit Eckrisaliten. Der mittlere, leicht zurückgesetzte Galerieabschnitt wird von einem breiten, zweigeschoßhohen Bogeneingang mit Rustikarahmung dominiert. Die Mauerflächen sind in den ersten beiden Geschossen durch verschieden geformte Nischen gegliedert, die Standorte für Figuren und Vasen bilden. Die dritten freistehenden Risalitgeschosse werden von Kreisfenstern ausgefüllt und der Zinnenkranzabschluß durch Amoretten verlängert. Der Galerieabschnitt ist auf dieser Höhe von einem Stufengiebel mit aufgesetzten kegelförmigen Gebilden überspannt, wobei der vergitterte lünettenförmige Mauerdurchlaß den torartigen Charakter des Gebäudes unterstreicht. \nDer verwendete neogotische Baustil kam neben den Chinoiserien als stimmungsträchtiges Zitat in englischen Landschaftsgärten häufig zum Einsatz (Hennebo/Hoffmann 1962-1965, Bd. 3, S. 30; Buttlar 1989, S. 42). Als eines der ersten Beispiele für eine derartige Verwendung entstand 1741 innerhalb der in der Grafschaft Kent gelegenen Gartenanlage von Stowe nach den Plänen von James Gibbs ein "Gothischer Tempel“ in freier, irregulärer Form mit unterschiedlich hohen Türmchen. Dessen dreiachsige Fassade mit Giebelbekrönung und Zinnenkranzabschluß, der in seiner Grundstruktur italienische Kirchenfassaden der Gotik aufnimmt, wurde nachfolgend häufig rezipiert. Die Art der Umwandlung der Türmchengruppe in zwei turmartige Eckrisalite kam z. B. auch bei der Gestaltung des "Gotischen Hauses“ im Landschaftsgarten von Wörlitz (1773/90) zum Tragen. \nObwohl die Zeichnung recht einfach gehalten ist, legte Leopold Wert auf die detailgenaue, kleinteilige Darstellung der verschiedenen Architekturen, die es dem Betrachter ermöglichen sollte, eine Vorstellung von dem vorgefundenen Baubestand zu bekommen. |
Autor |
MH |