Kommentar |
Die vorliegende, nach einem Kupferstich von 1804 gearbeitete Zeichnung mit der Darstellung eines Lageplans sowie Gebäudeauf- und -grundrissen der Gestütsanlage Neustadt an der Dosse entstand in unmittelbaren Zusammenhang mit der Erweiterung der Gestütsanlage in Beberbeck unter der Leitung des Oberhofbaumeisters Johann Conrad Bromeis (frdl. Hinweis von Gerd Fenner; s. a. Renner 2003, S. 52; Gries 2001, S. 58, Abb. 66; der Kupferstich findet sich bei Johann Nikolaus Rohlwes: Die Pferdezucht, oder die Veredelung der Pferde in den preußischen Staaten in einer Darstellung des Königlich Preußischen Friedrich-Wilhelm-Gestütes bei Neustadt an der Dosse, Berlin 1806). Die Anordnung der Gebäude in Beberbeck erfolgte nach dem Vorbild dieses preußischen Hauptgestüts, dessen Anlagen nach modernen Richtlinien gebaut worden waren. Die Errichtung des Neustädter Gestüts war Teil eines Gesamtplans zur Verbesserung der einheimischen Pferdezucht, wonach in Preußen ein zentral organisiertes und kontrolliertes Netz von staatlichen Landgütern entstehen sollte (Gries 2001, S. 53). \nLandgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg (1633-1708) hatte 1662 den Ort Neustadt, das Amt und die umliegenden Ländereien erworben. Nahe der Dosse entstand als Teil des Neustädter Amtes neben einem Tiergarten auch eine "Stuterei" als erste Pferdezuchteinrichtung bei Neustadt. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts siedelten sich in und um Neustadt staatlich geförderte, wirtschaftlich ertragreiche Betriebe (wie z. B. eine Spiegelglasmanufaktur und eine Silberhütte) an. Zwischen 1787 und 1789 wurde als Abschluß der Landeskulturentwicklung in der Region das Friedrich-Wilhelm-Gestüt zeitgleich mit dem benachbarten Landgestüt Lindenau unter der Leitung von Ephraim Wolfgang Glasewaldt (1753-1830) bei Neustadt an der Dosse errichtet. Vorbild für diese Anlage war das von Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) errichtete Gestüt Graditz bei Torgau in Sachsen (Traut 1971, S. 101-108 und 205; Gries 2001, S, 67f.; Renner 2003, S. 54).\nUm einen nahezu quadratischen Innenhof gruppieren sich die vier zum Friedrich-Wilhelm-Gestüt gehörenden Gebäude. Den Hof, der den Pferden zum Auslauf dient, durchzieht eine breite baumgesäumte Allee, die sich in der Mitte bogenförmig erweitert und hier von einer sechseckigen, ebenfalls baumumstandenen Rasenfläche eingenommen wird. Nach Osten öffnet sich die Allee ebenfalls bogenförmig zum Haupthaus hin. Das in Auf- und Grundriß dargestellte Gebäude besteht aus einem zweigeschossigen, siebenachsigen Mittelbau mit übergiebeltem, flachem Mittelrisalit, der von eingeschossigen, vierachsigen Seitenflügeln flankiert wird. Daran schließen sich eingeschossige, fünfachsige Seitengebäude an. Die hier ausgeführte Blendarkadengliederung findet sich als Gestaltungselement auch an den Seitenflügeln in Beberbeck. Durch die Bedachung in Form von Mansarddächern bzw. Satteldächern wird der Neustädter Mittelbau mit den Seitenflügeln als Hauptwohngebäude von den wirtschaftlich genutzten Nebengebäuden unterschieden. Im Souterrain und ersten Obergeschoß des Mittelbaus war die Wohnung des Gestütsstallmeisters, im zweiten Obergeschoß waren die Zimmer für den Oberstallmeister des benachbarten Landgestüts Lindenau und nach Osten zur Dosse hin gelegen die Räume für den König untergebracht. Im nördlichen Seitenflügel logierte der Gestütsverwalter und im südlichen der Beschälerwärter. In den seitlichen Gebäuden befanden sich nördlich eine Remise und Viehställe des Verwalters, südlich die Ställe für die wertvollsten Hengste (Gries 2001, S. 60). Nördlich und südlich des Innenhofes liegen die ebenfalls in Grund- und Aufriß dargestellten eineinhalbgeschossigen Ställe, in denen sich Stände, Laufställe und darüberliegende Fruchtböden befanden. Dabei stellte die Wasserversorgung mit Pumpen und Rohrleitungen sowie ein Kanalisationssystem mit mittig abgeschrägtem Boden und ein Belüftungssytem eine Besonderheit dar. Dieses neuartige System kam später auch in Beberbeck zur Anwendung (Renner 2003, S. 35). An der Westseite wird der Komplex in Neustadt durch die beiden Beamtenhäuser mit jeweils angrenzendem Reithaus bzw. Stall begrenzt. Dabei befanden sich im nördlichen Bau auf Erdgeschoßebene Fohlenställe, im ersten Geschoß Wohnräume und darüber Fruchtböden. Im südlichen Beamtenhaus waren eine Schmiede, Wohnräume, ein Archiv und Fruchtböden untergebracht (Gries 2001, S. 60f.).\nNeben vergleichbaren gestalterischen Details wie der Akzentuierung durch einen Mittelrisalit am Hauptgebäude oder die Blendarkadengliederung im Bereich der Seitengebäude, die sich sowohl in Neustadt wie in Beberbeck finden, ist es vor allem das übergreifende Prinzip der um einen Innenhof angeordneten Gebäudegruppe aus Herrenhaus, Beamtenhaus bzw. -häusern und langgestreckten Stallgebäuden, bei deren Errichtung ein innovatives Planungskonzept im Bereich der Pferdezucht, der Hygiene und der Unterbringung grundlegend war, die eine Verbindung zwischen Neustadt und Beberbeck schaffen. Da die Anlagen von Neustadt ausdrücklich auf ihren Modellcharakter hin konzipiert waren, ist deren Rezeption folgerichtig. Das Vorhandensein der vorliegenden, nach einem Stich gearbeiteten Zeichnung im Bestand der Graphischen Sammlung kann als Beweis für die Bezugnahme auf die brandenburgische Anlage herangezogen werden. Zudem fällt das Entstehungsdatum der Zeichnung (19.11.1823) in die Planungsphase zur Erweiterung des Gestüts in Beberbeck. Ob Bromeis selbst die Darstellung anfertigte, kann nicht mit absoluter Sicherheit beantwortet werden. Dafür sprechen die feine, exakte Linienführung und die sorgfältig angelegte Lavierung, die stilistische Merkmale seiner Zeichentechnik sind. In der älteren Literatur findet sich der Hinweis, daß der Baueleve Jakob Friedrich Breithaupt, der später als Baukondukteur in Beberbeck tätig war, in das niedersächsische Neustadt an der Dosse gesandt wurde, um das dortige, neu errichtete Friedrich-Wilhelm-Gestüt zu studieren (Mieckley 1905, S. 28; Traut 1971, S. 57). Renner stellt diesen Vorgang in Frage, da sich in den überlieferten Archivalien kein Hinweis darauf findet, und verweist in diesem Zusammenhang auf Bidlingmaier (Bidlingmaier 1991, S. 40 u. S. 46, Anm. 4), der trotz intensiven Quellenstudiums ebenfalls nur die Sekundärliteratur zitiert (Renner 2003, S. 52). |