Vorschau |
|
Ort |
Kassel |
Institution |
Graphische Sammlung |
Teilbestand |
|
Signaturen |
Marb. Dep. 9 |
Gegenstand |
Wilhelmsthal, Schloß- und Gartenanlage, Ausführungsentwurf, Plan |
Künstler |
Fünck, Johann Georg (Zeichner) |
Kommentar |
Nach den Vorstellungen Wilhelms VIII. und auf der Grundlage des Planungskonzepts von François de Cuvilliés fertigte Johann Georg Fünck den vorliegenden, im Nachlaßinventar seines Auftraggebers, Landgraf Wilhelms VIII. (StAM Best 4a, 80, 15), als "Plan général de Wilhelmsthal par Finck" verzeichneten Plan an. Bereits Bleibaum (Bleibaum 1932, S. 26) vermutete Fünck als Zeichner des Planes und wies auf die Ähnlichkeit der Schreibweise des Titels in der Kartusche mit den Nachzeichnungen der Knobelsdorff-Entwürfe zum Opernhaus in Berlin hin. Auch Schmidt-Möbus hielt in der jüngsten Wilhelmsthal-Monographie an der Zuschreibung fest (Schmidt-Möbus 1995, S. 107), da nach ihrer Ansicht sowohl die Beschriftung als auch der Zeichenduktus darauf hinweisen. Auch wenn figürlicher Schmuck auf dem Plan fehlt, kann bei der reich ausgestalteten Kartusche, die nicht, wie Hallo glaubte (Hallo 1930/2, S. 77), nachträglich eingesetzt wurde, dieselbe Hand und dieselbe Tusche identifiziert werden. Detailreiche Einzelpartien und verwandtes Kolorit entsprechen der Fünckschen Ausführungsweise. \nGemäß den Gestaltungsmerkmalen eines Barockgartens entstand ein auf die Architektur bezogener Garten, wobei drei vom Schloß ausstrahlende fächerförmige Hauptachsen das nach Osten hügelig ansteigende Gelände gliedern. Die mittlere Achse wird in ihrem hinteren Teil von einem großen Wasserbassin dominiert, das durch eine unterirdisch angelegte Wasserführung die unmittelbar vor dem Schloß gelegene Kaskade und ein vorgelagertes dreipaßförmiges Wasserbecken speist. Der südliche Gartenabschnitt, auf dem Plan rechts eingezeichnet, ist einer Grotte mit vorgelagertem Wasserbecken und einer Menagerie mit Teich und Häusern für das exotische Geflügel des Landgrafen vorbehalten. Dieser Teil wurde bei der Gartengestaltung zuerst in Angriff genommen und war bei Entstehung des Planes weitgehend abgeschlossen. Zwischen diesen Hauptelementen der Gartenanlage finden sich in den Restflächen die für einen Barockgarten typischen kunstvoll angelegten Hecken- und Rasenbereiche. Zur umgebenden Landschaft wird die Gartenanlage durch doppelte Baumreihen, hier nur als Punkte ansichtig, und in Teilen durch Wassergräben und Mauern abgegrenzt. Die Gestaltung des nördlichen Gartenbereiches war offensichtlich zu dieser Zeit noch nicht vorgesehen. Hier findet sich der noch zur alten Gartenanlage gehörende Bereich mit Obstbaumkulturen, die durch eine Nischenwand vor Frost geschützt wurden, in unmittelbarer Nähe der naturbelassenen Landschaft. Das fehlende gartenarchitektonische Konzept versuchte Fünck durch die Zeichnung einer üppigen Titel-Kartusche mit Rocaille-Ornamentik und einer Baum- und Buschdarstellung zu überdecken.\nDer Plan dokumentiert detailliert die landschaftliche Topographie, wobei die Niveauunterschiede durch Schraffuren und farbig hervorgehobene Bereiche deutlich gemacht werden. Entsprechend der Darstellungskonvention bei Architekturzeichnungen des 18. Jahrhunderts sind die Farben bestimmten Objekten vorbehalten: Rosa verwendete Fünck für die in Aufsicht dargestellte Architektur der Dachflächen, Grün für Rasen und Hecken, Blau für die Wasserflächen und Braun für die Nutzbeete. Zusätzliche Akzente setzen abgestufte Grautöne bei der Gestaltung der zumeist aus Buchsbaum gebildeten Hecken. Die umliegenden, für den Plan unwichtigen Bereiche der Landschaft wurden einheitlich graugrün eingezeichnet. \nDadurch, daß ein Teil der Anlage vollendet war, bekommt diese als Ausführungsentwurf angelegte Zeichnung teilweise die Funktion einer Bauaufnahme. Einige der vorgesehenen Maßnahmen sind dagegen nicht durchgeführt worden. So konnte weder die zu den Wasserkünsten gehörende Kaskade noch der Bereich des Wirtschaftshofes mit den viertelkreisförmig angelegten Marstallgebäuden, ähnlich dem Schloßkomplex in Arolsen, zu Lebzeiten Wilhelms VIII. verwirklicht werden. Neben der verzeichneten, aber nicht zur Ausführung gelangten Architektur sind andere Bauten heute nicht mehr vorhanden. Die architektonisch aufwendigen Entenhäuser im chinesischen Stil mußten nach zahlreichen Bauschäden im Jahre 1800 abgebrochen werden. Die Nachfolger Wilhelms VIII. hatten an der Vollendung der Gartenanlage kein Interesse. Sie blieb mit seinem Namen und seinen Vorstellungen von einem barocken Garten verbunden. Der Plan ist heute ein wichtiges Zeitdokument eines in Wilhelmsthal nicht mehr vorhandenen Zustands, da in den Jahren 1796 bis 1814 die Umgestaltung in eine moderne Anlage nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten erfolgte, die von geometrisch exakten Gartenbereichen mit kunstvoller Beherrschung der Natur Abstand nahmen. |
Autor |
MH |