Vorschau |
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Ort |
Kassel |
Institution |
Graphische Sammlung |
Teilbestand |
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Signaturen |
lfd. Nr. 6843 |
Gegenstand |
Kassel, Orangerie, Umgestaltungsentwurf für die Fassade eines Pavillons, Aufriß |
Künstler |
Du Ry, Simon Louis (Zeichner) |
Kommentar |
Von den ursprünglichen umfangreichen Bauplänen Landgraf Karls für eine dreiflügelige Anlage im Auepark konnten von 1702 bis 1710 lediglich das Orangerieschloß und 1722 bis 1730 der Pavillon des Marmorbads realisiert werden (Gerland 1895, S. 16-18; Holtmeyer 1923, S. 332-350; Boehlke 1958, S. 46f.; Biehn o. J.; Both/Vogel 1973, S. 166; Katalog Kassel 1979, S. 216, Nr. 290; Burk 1998). Erst um 1764 ließ Landgraf Friedrich II. in Anknüpfung an die alten Pläne einen weiteren freistehenden Pavillon als symmetrisches Gegenstück zum Marmorbad errichten. Dieser Neubau ersetzte das einfache Küchengebäude, das 1734 im nordwestlichen Parterrebereich entstanden war (vgl. Marb. Dep. 254,7). Mit dem Neubau wurde Simon Louis Du Ry betraut, der 1764 Entwürfe vorlegte, von denen ein Aufriß überliefert ist (Boehlke 1980, Abb. S. 72; zu dem von Gerland 1895, S. 100 und danach Holtmeyer 1923, S. 351 irrtümlich angenommenen früheren Entwurfsdatum vgl. Dittscheid 1987, S. 13, Anm. 163). Da der Küchenpavillon in seinem Äußeren genau dem nordwestlichen Pendant entsprechen mußte, hatte der Architekt dessen Aufrißschema mit dem gefugten sockelartigen Erdgeschoß mit Rundbogenöffnungen und darüber einer kolossalen Pilasterordnung zu übernehmen (vgl. den Aufriß von Caspar Christoph Schaeffer von 1791, lfd. Nr. 6846). Neben der zweckmäßigen Gestaltung der Küche im Erdgeschoß und den Wohnungen für Hofbedienstete in den beiden Obergeschossen bestand die Hauptaufgabe in der Herstellung einer sicheren Gründung des Gebäudes. Da der Standort ein zugeschütteter Teich war, mußte ein aus 400 Eichenstämmen bestehender Pfahlrost erstellt werden (Engelhard 1778, S. 134; Gerland 1895, S. 100).\nDas vorliegende Blatt, das eindeutig den Zeichenduktus Du Rys aufweist, ist demgegenüber als Vorschlag zu sehen, zumindest einer Fassade eines oder vielleicht auch beider Pavillons eine zeitgemäße Gestaltung zu geben. Vor eine Front, die aufgrund der an den Seiten erkennbaren Architekturteile eindeutig den Pavillons zuzuordnen ist, wird eine Schauarchitektur aus einem Portikus toskanischer Ordnung mit abschließender Balustrade gestellt. Von der älteren Baugliederung ist allein die Bandquaderung des Erdgeschosses übernommen, hier aber bis zum ersten Obergeschoß geführt. Die bogenförmigen Verdachungen entfallen, dafür sind über den beiden Fenstern und der mittigen Nische Tafeln mit zeittypischen Laubgehängen angeordnet. Wie aus der Darstellung der Verschattung des mittleren Portikusbereichs und angedeuteter Graphitlinien im Gebälk zu ersehen ist, scheint Du Ry erwogen zu haben, die Mittelachse etwas vorzuziehen. Weitere Graphiteintragungen dort lassen auf Überlegungen zu Dreiecksgiebeln unterschiedlicher Größe schließen. Da die Kolossalpilaster des älteren Schemas mit dem neuen Teil nicht vereinbar waren, ist für das obere Geschoß das Gliederungssystem der Kopfbauten des Orangeriegebäudes übernommen. Die an zentraler Stelle plazierte Skulptur in antikischer Rüstung und mit Leier könnte als Apollo verstanden werden, dem auch der zentrale Saal im Obergeschoß des Mittelpavillons der Orangerie gewidmet war. \nFolgt man der nachträglichen Beschriftung "zur katholischen Kapelle", wäre die neue Fassade für das Marmorbad bestimmt gewesen und hätte zum Friedrichsplatz hin ausgerichtet werden sollen, wo von 1770 bis 1776 die Hofkapelle des zum Katholizismus konvertierten Landgrafen erbaut wurde. Demnach käme vor allem die nördliche Fassade des Pavillons in Frage, die nicht nur von dem höhergelegenen Platz, sondern auch von der über die kleine Fulda führenden Brücke gut zu sehen war. Jedoch scheint eine andere Überlegung sinnvoller. Um 1765 bestand zwar noch die Absicht, die beiden seitlichen Flügel gemäß der Ursprungsplanung zu vollenden (Reuther 1975, S. 35), jedoch scheinen gleichzeitig auch Alternativlösungen gesucht worden zu sein. Somit könnte es sich bei Du Rys Entwurf durchaus um einen Versuch handeln, die beiden dem Garten zugewandten Südwestfassaden, die damals noch provisorisch verschlossene Durchgänge aufwiesen (Holtmeyer 1923, S. 351), durch eine abgewandelte Fassadenbehandlung in einer gestalterisch anspruchsvollen Weise abzuschließen. |
Autor |
GF |