Vorschau |
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Ort |
Kassel |
Institution |
Graphische Sammlung |
Teilbestand |
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Signaturen |
GS 12514 |
Gegenstand |
Kassel, Entwurf zu einer Kirche in der Unterneustadt, perspektivische Ansicht |
Künstler |
Du Ry, Charles Louis (Zeichner) |
Kommentar |
Während seines Studienaufenthalts in Rom fertigte Charles Louis Du Ry einen Entwurf für den geplanten Neubau einer Kirche auf dem Holzmarkt in der Kasseler Unterneustadt an. Das Projekt entstand primär als Beitrag für die Ausstellung der Kunstakademie in Kassel im Jahr 1796 und nicht in Erwartung einer Beauftragung mit dem Bau (Gerland 1895, S. 172-174; vgl. den Briefwechsel von Charles Louis Du Ry mit seinem Vater ab Oktober 1795, Marb. Dep. II, 413.7). Simon Louis Du Ry hatte seinem Sohn im Herbst 1795 die Anregung zu diesem Vorhaben gegeben und zusätzlich Entwürfe für ein landgräfliches Landhaus in Freienhagen sowie einen Brunnen vorgeschlagen. Der junge Du Ry lieferte daraufhin 1796 Zeichnungen zu der Kirche sowie ein Jahr darauf zu dem Landhaus (GS 5543, GS 5544 und GS 13838). In der Auflistung des der Akademie übergebenen zeichnerischen Nachlasses des jungen Du Ry wird unter der Nummer 65 "eine braun getuschte Kirche - v. R(om 17)96" aufgeführt (vgl. Liste der Zeichnungen in Marb. Dep. II, 413.7). Das Bauwerk selbst wurde erst 1802-1808 von Heinrich Christoph Jussow ausgeführt, zu dessen zahlreichen Entwürfen auch ein 1788 vorgeschlagener Rechteckbau mit sechssäuliger dorischer Front zählte (Katalog Kassel 1999, Kat.Nr. 69, 70 u. 73-76). \nVon dem Kirchenentwurf ist außer der vorliegenden perspektivischen Darstellung noch eine weitere in der Graphischen Sammlung vorhanden, die als Vorstudie anzusehen ist (GS 13827), außerdem ein Längsschnitt (GS 13827v). \nDer Sakralbau steht frei auf einem Platz und ist von der gleichförmigen zwei- bis dreigeschossigen Bebauung betont abgehoben. Dieser Eindruck wird durch das Erscheinungsbild als 'klassischer' Tempel mit einem sechssäuligen ionischen Portikus und großem Giebel noch gesteigert. Die angestrebte Monumentalität, die Reduzierung auf einfache Formen des Baukörpers und der weitgehende Verzicht auf Ornamentik spiegeln die charakteristischen Stilelemente des an der Antike wie an der Revolutionsarchitektur orientierten Zeitgeschmacks wieder. Aus der erhalten gebliebenen Beschreibung seines Entwurfs geht hervor, wie sich Du Ry darum bemühte, die Bauaufgabe einer reformierten Predigtkirche mit der gewünschten architektonischen Größe des Altertums zu verbinden, wobei auch Regelverletzungen in Kauf zu nehmen seien: "Es hält (sic) schwer, bei der Einrichtung unserer reformirten Kirchen ein aesthetisch gutes Gebäude zu liefern, man will Emporkirchen, Orgel, Canzel, Sakristey und einen Glockenthurm haben, den Alten wurden durch dergleichen Sachen die Hände nicht gebunden, sie konnten ihren Kirchen die Vollkommenheit geben, welche bey uns unmöglich wird.\nWaß die äußere Decoration anbetrifft, so habe ich die Plinthe weggelaßen, weil die Ecken derselben dem Abstoßen zu sehr ausgesetzt sind, der Tempel der Vesta in Tivoli kann mir hierin zur Rechtfertigung dienen; das Gesims habe ich simpel und in größeren Maßen gehalten, als es gebräuchlich ist, weil viele und allzu kleine Glieder kleinlich und meskin werden" (Brief vom 15.4.1796, Marb. Dep. II, 413.7; Gerland 1895, S. 173). Den Verzicht auf die Plinthen kommentierte Simon Louis Du Ry skeptisch: „Daß Du dir aber die Freiheit genommen hast, die Plinthe unter der Säule wegzulassen, lasse ich dahingestellt sein“ (Brief vom 26.5.4.1796, Marb. Dep. II, 413.7; Gerland 1895, S. 174; Holtmeyer 1923, S. 734).\nDie Anordnung des in der Beschreibung erwähnten Glockenturms, den Du Ry durch die Sakristei "mit der Kirche verbinden" bzw. davon separieren wollte, geht aus der Zeichnung nicht hervor. Möglicherweise ist er mit dem hinter dem zweigeschossigen Gebäude sichtbaren Turm mit niedrigem Zeltdach und Uhren angedeutet. Entfernt vom Kirchenbau plaziert, stört er so dessen einheitliches Erscheinungsbild nicht. Die Nachzeichnungen Conrad Wilhelm Rudolphs nach Du Rys Entwurf (StAM P II 3593, 2 und 3) zeigen einen freistehenden Turm, der nur durch einen niedrigen Zwischenbau mit der Kirche verbunden ist. \nDas sehr sorgfältig gezeichnete Projekt, das gestalterische Ähnlichkeiten mit Weinbrenners 1806-1816 errichteter Evangelischer Stadtkirche in Karlsruhe aufweist (zum Bezug auf Weinbrenner vgl. auch GS 5543), ist für die Ausstellung in der Akademie mit einer etwas versteckt angebrachten, aber trotzdem unübersehbaren Signatur und Jahreszahl sowie einer Rahmung versehen. Die Staffagefiguren belegen das zeichnerische Können des jungen Du Ry. |
Autor |
GF |