Vorschau |
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Ort |
Kassel |
Institution |
Graphische Sammlung |
Teilbestand |
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Signaturen |
GS 12655 |
Gegenstand |
Kassel, Karlsaue, Entwurf im englischen Stil mit Detailansichten, Plan |
Künstler |
Homburg, Georg Wilhelm (Gärtner) |
Kommentar |
Der große, leider stark beschädigte Plan "des Hochfürstl- Hessischen / Aue Gartens / nach den Grundsaetzen / der Engelisch oder Mahlerisch / Gartenkunst / entworffen / durch / G: W: Homburg / 1790" enthält neben dem Gartenplan am Rande vierzehn zum Teil nicht vollendete aquarellierte Ansichten von Gebäuden und Sehenswürdigkeiten, mit denen der Park ausgestattet werden sollte. Diese Art der Darstellung erinnert an entsprechende Darstellungen in englischen Publikationen, wie z.B. den Plan von Chiswick aus dem "Vitruvius Britannicus" (Buttlar 1989, Abb. 16).\nEntschiedener noch als Pierre Bourguignon und Johann Heinrich Hartdegen in ihren Entwürfen aus dem Klebeband "Plans von Fürstlichen Gärten in Hessen" (Marb. Dep. 254,1 und Marb. Dep. 254,4) unternimmt Homburg in diesem aufwendigen Plan den Versuch, die Karlsaue in einen Landschaftsgarten im englischen Stil umzuwandeln. Das alte, symmetrische Gliederungssystem wird bis auf wenige Reste aufgelöst, vorherrschend ist die geschwungene, 'natürliche' Linie, gleich, ob es sich dabei um Wege und Kanäle handelt oder um die Konturen der Bassins oder sogar die im südlich ausragenden Halbrund eingerichtete "Fasanerie", die noch bei Hartdegen ihre alte Gestalt behalten hatte. Ausgenommen von dieser Umgestaltung sind nur die Wirtschaftsgärten, der "Küchengarten" an der nördlichen sowie der "Holländische Garten" an der südlichen Flanke. In diesen Bereichen und vor der Orangerie werden die alten Konturen des Gartens beibehalten, während weiter westlich die Grenzen aufgelöst werden und der Park bruchlos in die Landschaft übergeht.\nEntsprechend dem Vorbild des englischen Landschaftsgartens werden malerische Szenen geschaffen, eine "verfallene Scene" mit Ruine sowie eine "verfeinerte Scene" mit chinesischer "Pagoda" im östlichen Gartenbereich, eine "Historische Scene" mit "Rotunda der Diana" und "Tempel des Pans" sowie eine "Ländliche Scene" mit Landhaus beidseits des großen Bassins, dessen ehemals regelmäßige Kontur aufgelöst und in einen eher natürlichen Verlauf verändert ist. Die separat dargestellten "fabriques", die als Staffagen in diese Szenerien eingebettet sind, stellen ein Kompendium verschiedener Baustile dar: die chinesische Pagode, der griechische Rundtempel ("Tempel von Pan"), die römische Pantheon-Paraphrase ("Tempel der Minerva"), die gotische "Ruine" und die palladianische Villa ("Sitz auf der Insul") erfüllen den zeitgenössischen Anspruch auf abwechslungsreiche künstlerische Vielfalt im Landschaftsgarten.\nDie neunstöckige Pagode im chinesischen Stil erweist sich als sehr getreue Kopie des Entwurfs von William Chambers für den Garten von Kew (vgl. A. von Buttlar in: Weiss 1997, S. 72f., N. Temple in: Katalog Kassel 1990, S. 93f.), während die gotische Ruine ihr Vorbild im gotischen Tempel im Park von Stowe (Dittscheid 1987, S. 198) und der Tempel der Minerva das seine im Deer House in Chiswick (Harris/Korzus 1999, S. 58) hat. Der Kasseler Hofgärtner Georg Wilhelm Homburg hatte 1788 eine Studienreise nach England unternommen, die auf Empfehlung von Simon Louis Du Ry von Landgraf Wilhelm IX. finanziell unterstützt wurde. Mit Sicherheit hat er dabei die entsprechenden Gärten besichtigt, die auch in Whateleys "Observations on Modern Gardening" von 1770 erwähnt sind, dessen französische Ausgabe der Landgraf in seiner Bibliothek aufbewahrte (Harris/Korzus 1999, S. 57). Der "Sitz auf der Insel" erscheint hingegen eher wie eine verkleinerte Ausgabe des Erdmannsdorffschen Schlosses in Wörlitz, während die "Rotunda" und die "Charllottenburg" deutlich Bauten des Georgiums in Dessau (Monopteros, Vasenhaus) ähneln. Landgraf Wilhelm IX. hatte Wörlitz 1788 in Begleitung des Hofgärtners Daniel August Schwarzkopf besucht und war davon sehr angetan (Hessen 1996, S. 261, Anm. 36).\nDer Entwurf orientiert sich also durchaus eklektizistisch an den damals aktuellen Vorbildern der "englischen" Gartengestaltung mit dem Ziel, dem Auegarten einen einheitlichen "malerischen" Stil zu geben. Der Begriff des "Malerischen" war in den 80er Jahren zum Schlüsselbegriff der ästhetischen Diskussion über Gartengestaltung in England geworden. Er beinhaltete vor allem die Komposition von Ausblicken und Szenerien nach den Prinzipien der Landschaftsmalerei, wobei großer Wert auf Vielfalt und Abwechslungsreichtum gelegt wurde. Homburg setzte diesen von ihm im Titel explizit genannten Begriff, inspiriert von verschiedenen zeitgenössischen Vorbildern, unmittelbar in seinem großen Projekt um. Seine Planungen sollten aber nur in Ansätzen zur Ausführung kommen. Die ab 1787 nach den Vorstellungen Wilhelms IX. in Angriff genommenen Veränderungen in der Aue folgten zunächst keinem einheitlichen Konzept, erst unter der Federführung von Wilhelm Hentze konnte ab 1822 eine konsequente Umgestaltung - innerhalb der alten Grundstruktur - erfolgen. |
Autor |
UH |